Derzeit wird im politischen Raum heftig über die Belastungen durch NO2 und Feinstaub diskutiert. Vor allem über die Reduzierung der NO2-Belastung wird gestritten. Von Gerichten verordnete Fahrverbote und viele andere Vorschläge erhitzen die Gemüter. Die Autoindustrie steht wegen Betrügereien am Pranger. Messungen werden angezweifelt. Städte, welche die NO2- Grenzwerte nicht einhalten, bekommen Geld für Maßnahmen, usw. Inzwischen scheint sich sogar eine neue politische Klassifizierung von Städten mit Grenzwertüberschreitungen herauszubilden. Diejenigen, die Werte über ca. 50 µg/m3 haben  und solchen, die zwischen dem Grenzwert von 40 µg/m3 und 50 µg/m3 liegen, bei denen man annimmt, dass sie schnell unter den Grenzwert kommen werden.  So jedenfalls lässt sich die jüngste Gesetzes- Initiative zu den Fahrverboten interpretieren. Möglicherweise werden künftig auch Gelder zur Reduktion von NO2 nach diesem Kriterien vergeben.

Davon betroffen ist auch Leonberg. Die offiziellen Messwerte der LUBW an der Grabenstraße zeigen zwar nach wie vor Grenzwertüberschreitungen des Jahresmittelwertes bei NO2. Allerdings bei weitem nicht mehr so stark wie noch vor wenigen Jahren. Die Feinstaubmessungen sind sogar seit 2016 eingestellt. In manchen Darstellungen kommt Leonberg daher als betroffene Stadt nicht mehr vor.

Ist dies aber gerechtfertigt?

Tatsache ist, dass seit dem Umbau der Grabenstraße im Jahre 2014 die Jahresmittelwerte sowohl bei NO2 als auch bei Feinstaub PM10 bei den offiziellen Darstellungen deutlich um 22% (NO2) bzw. um 25% (Feinstaub PM10) gesunken sind. Während vorher Leonberg mit seinen Messwerten jahrelang immer in einer Gruppe von Stationen lag, die nach den beiden Stuttgarter Straßenmessstationen am Neckartor und der Hohenheimer Straße die höchsten Werte in der Region Stuttgart aufwies,  änderte sich dies nach dem Umbau plötzlich. Das Niveau liegt gegenüber diesen Messstationen seither deutlich tiefer. Ist  die Luft in der Grabenstraße aber tatsächlich so viel besser geworden?

Dazu hat die AGVL ein Papier veröffentlicht, welches nachweist, dass dieser Rückgang der Werte im Wesentlichen  auf den Umzug der Messstation in der Grabenstraße  zurückzuführen ist. Dabei werden auch frühere  Messungen an der Grabenstraße mit berücksichtigt, welchen diesen Verdacht zusätzlich erhärten.  Die Schadstoffsituation an der Grabenstraße hat sich wahrscheinlich überhaupt nicht oder allenfalls entsprechend des schwachen allgemeinen Trends verbessert. 

Auch die komplette Einstellung der Feinstaubmessungen in Leonberg ist daher unverständlich. Statt einer Ausdünnung des Messnetzes müsste es gerade bei Feinstaub eine Verdichtung geben. Allerdings weniger bei der größten Feinstaubfraktion PM10 sondern bei  PM2,5 und bei den Ultrafeinstäuben. Hier hinkt Deutschland internationalen Standards hinterher. PM2,5 ist international für Feinstaub der Leitwert geworden und hat PM10 abgelöst. Hinzu kommt, dass das bodennahe Ozon mehr oder weniger ignoriert wird, obwohl der Zielwert zum Schutze der menschlichen Gesundheit z.B. in diesem Jahr in ganz Baden-Württemberg überschritten wurde und sicherlich auch in Leonberg.  Wie stark das Interesse der Öffentlichkeit an aktuellen Schadstoffwerten ist, sieht man nicht zuletzt am großen Erfolg von Messnetzen mit preisgünstigen Sensoren z.B. des OK-Lab Stuttgart (luftdaten.info) mit seinen inzwischen 6000 aktiven Sensoren weltweit.

Gerade in Leonberg besteht ein großes Interesse an flächendeckenderen Messwerten. Denn mit den Autobahnen und der B 295 gibt es außergewöhnlich große Schadstoffquellen.  Deren Ausbreitung  auf den Siedlungsbereich von Leonberg ist nicht vollständig  bekannt. Die Ozonbelastung ist z.B. völlig unbekannt, obwohl es Anhaltspunkte gibt, dass die Werte in Leonberg und Umgebung hoch sein könnten.  Vor allem bei Bauplanungen in Autobahnnähe stellen regelmäßig Gutachter Bereiche mit  Grenzwertüberschreitungen bei NO2 fest und fordern Auflagen. Die alleinige Konzentration der Messungen auf die Grabenstraße erscheint daher nicht sachgerecht.

Lässt sich gegen die nach wie vor hohe Luftbelastung in Leonberg etwas tun?

Im Februar 2018 hat der Gemeinderat das Sofortprogramm "Saubere Luft in der Stadt 2017-2020" (Masterplan "Nachhaltige Mobilität") beschlossen und sich damit finanzielle Mittel des Bundes gesichert. Diese Maßnahmen sind zwar ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Sie werden aber  kaum ausreichen, bald unter den Grenzwert zu kommen.  Daher  schlagen wir weitere Maßnahmen vor. Dazu gehören:

  • Grundsätzliche Vermeidung von Vollsperrungen des Engelbergtunnels durch Maßnahmen der dynamischen Verkehrslenkung und Einsatz modernster Technik.
  • Keine Autobahnumleitungen durch Leonberg; stattdessen sollte ein alternatives Umleitungskonzept unter Einbeziehung des regionalen Straßennetzes erstellt werden.
  • Einführung eines Tempolimit 80 km/h auf den Autobahnen rund um Leonberg und auf der B295.
  • Erstellung eines Luftreinhalteplans für die gesamte Region Stuttgart, um die Einzelpläne der Städte besser untereinander zu koordinieren und Maßnahmen auf Kosten anderer Städte zu vermeiden.
  • Erwägung von Fahrverboten für Fahrzeuge mit besonders hohem Schadstoffausstoß , da die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen und Gerichte dies regelmäßig einfordern
  • Erwägung der Einhausung der A 8 auf der Höhe von Eltingen ggf. mit Überbauung und Filterung der Schadstoffe.

Solche Maßnahmen würden auch dem Lärmschutz zu Gute kommen. Nicht vergessen sollte man auch Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen von Feuerungsanlagen, insbesondere von Öfen.

Wir verweisen weiterhin auf unsere Stellungnahmen zum Luftreinhalteplan sowie zum Lärmaktionsplan und auf den offenen Brief der AGVL zusammen mit Stuttgarter Umweltverbänden zur Ozonbelastung in der Region Stuttgart und darüber hinaus.

 Links:

 Gesamtes Papier "Luftschadstoffsituation in Leonberg 2018'

(Die Zusammenfassung entspricht dem Text dieses Artikels)