Aktualisiert am Mittwoch, 27.3.2019, hauptsächlich um die Wetteranalyse

Am Wochenende vom 23./24.März ereignete sich eine recht ungewöhnliches Schadstoffereignis in der Region Stuttgart und generell in Baden-Württemberg bzw. in der Südwest- und Südhälfte Deutschlands. Ungewöhnlich deshalb, weil sowohl die Feinstaubwerte als auch die Ozonwerte und zeitweise auch die NO2- Werte flächendeckend recht hoch waren. Vor allem die PM2,5-Werte lagen zeitweise für die Jahreszeit ungewöhnlich hoch,

Zur Beurteilung der Lage bei PM 2,5 ist am besten die Kartendarstellung der Webseite "World Air Quality Index project" geeignet. Diese Seite stellt nicht die Schadstoffkonzentrationen dar, sondern einen "Air Quality Index (AQI)". Dieser Index bewertet die Schadstoffe nach ihrer Gesundheitsgefahr. Er ist nahezu identisch mit dem international am meisten verwendeten AQI der USA. Leider gibt es in der EU keinen Kurzzeitgrenzwert für PM 2,5 auf der Basis von Tagesmittelwerten (wie z.B. für PM 10). Daher gibt es auch keine echte Beurteilungsmöglichkeit für akute Gesundheitsgefahr und daher keine Orientierungsmöglichkeit, welche dem AQI entspricht. Hier hat leider die EU und Deutschland offensichtlich an entscheidender Stelle eine gewaltige Lücke beim Verständnis der Gefährdung der Gesundheit von Luftschadstoffen.  

Der folgende Schnappschuss von dieser Seite zeigt die Situation vom Sonntag, 24.3.2019 17:30:

Stuttgart Am Neckartor, Germany Air Pollution Real time PM2.5 Air Quality Index (AQI) 2019 03 24 18.27.54

 


Die Karte auf der rechten Seite zeigt die AQI-Werte in der Fläche. Man sieht, dass diese Werte fast überall teilweise stark erhöht sind. Am Neckartor in Stuttgart wird sogar mit einem AQI von 153 die Stufe 4 der 6 stufigen AQI-Skala zeitweise erreicht. Dies bedeutet 'Ungesund". Alle Stationen im Raum Stuttgart liegen in der Stufe 3, d.h. "Ungesund für empfindliche Personen". Auf der linken Seite ist die Entwicklung der Werte verschiedener Schadstoffe der letzten 48 Stunden dargestellt. Dabei stammt der am Neckartor nicht direkt gemessenen Ozonwert von der Station Bad Cannstatt. Daran kann man erkennen, dass auch die AQI-Werte der anderen Schadstoffe temporär erhöht waren. Die Gesundheitsgefährdung kam jedoch nach dieser Bewertung mit großem Abstand von der PM 2,5- Konzentration.

Die Werte sind am Sonntagabend bis zum Montag morgen deutlich gesunken.

Die Werte des OK-Lab-Netzes decken sich gut mit den Werten des offiziellen Netzes, wie dieser Schnappschuss der OK-Lab-Darstellung etwa zur gleichen Zeit zeigt:

OK Lab AQI 24-03-2019

Der AQI liegt danach im Stuttgarter Raum fast überall auf Stufe 3. Das OK-Lab-Netz mittelt die Werte der Einzelstationen bei dieser Skalierung sehr stark. Daher sind keine Einzelstationen erkennbar. Einzelne Stationen lagen jedoch tatsächlich zu dieser Zeit im Raum Stuttgart auch bei Stufe 4.

Solch hohe PM 2,5- Werte gab es im vergangenen Winter nur 1 mal bei der einzigen Smog-Periode des Winters im Januar. 

Im Gegensatz zum Januar waren aber an diesem Wochenende zusätzlich die Ozonwerte bereits recht hoch, für die Jahreszeit sogar sehr hoch. Dies zeigen diese Karte des maximalen 8-Stundenmittelwerts des Umweltbundesamtes vom Samstag:

Aktuelle Luftdaten Umweltbundesamt 2019 03 25 22.23.04

und vom Sonntag:

Aktuelle Luftdaten Umweltbundesamt 2019 03 25 22.24.23

Am Samstag wurde um ein Haar bereits der EU-Zielwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit im Raum Stuttgart überschritten. Gärtringen meldete als Tagesmaximum des 8h-Mittelwerts 120 µg/m3. Dies ist exakt der Zielwert. Bad-Cannstatt lag mit 117 µg/m3 nahezu genauso hoch.  

Auch die NO2-Werte lagen am Samstag recht hoch. Zwar wurde der Kurzzeitgrenzwert von 200 µg/m3 nicht erreicht, aber der Spitzenwert lag am Neckartor in Stuttgart am Samstag immerhin bei 144 µg/3.

Fast hätte ich es vergessen: Der PM 10- Grenzwertes des Feinstaubs wurde auch verbreitet überschritten - nicht nur an Verkehrsstationen. Dies zeigt dieser Schnappschuss der Überschreitungstabelle der LUBW vom Sonntag, 24.3.:

Aktuelle Messwerte 2019 03 25 11.27.52

 Die Ursache dieser ungewöhnlichen Situation war eine besondere Wetterlage:

Während der Woche hatte sich ein kräftiges Hochdruckgebiet von Westen her über Mitteleuropa aufgebaut, wie das folgende Bild zeigt. Es zeigt die Druckverhältnisse in ca. 5 km Höhe (Isobaren farblich gekennzeichnet) und am Boden (Isobaren als Linien) vom Donnerstag, 21.3.:

Luftdruck am 21.3.2019

Quelle: Wetterzentrale.de

Bis zum Wochenende wurde dieses Hochdruckgebiet über Mitteleuropa allmählich schwächer. Deutschland geriet mehr und mehr auf die Ostflanke des Hochs und dadurch war der Weg frei für ein Tiefdruckgebiet, welches aus Nordwesten heranzog und die Periode mit hohen Schadstoffwerten in der Nacht zum Montag beendete. Durch das starke Höhenhoch bildete sich zunächst eine Absinkinversion, welche nach und nach bis in die bodennahe Schicht absank. Nachts bildete sich auch immer eine flache bodennahe Inversion durch die starke Abkühlung. Dadurch war der Luftaustausch nach oben immer mehr gestört. Dies zeigt das folgende Diagramm des Ballonaufstiegs von Stuttgart vom Samstag 00z:

Ballonaufstieg Stuttgart 23.3.2019 00z

Die rechte dicke Linie zeigt den Temperaturverlauf mit der Höhe. Die linke Linie den Taupunkt. Man sieht schön die starke bodennahe Inversion und die auf ca. 1500 m liegende Absinkinversion, welche auch tagsüber ständig vorhanden war. Im Laufe des Sonntags sank diese mit Herannahen der Front noch weiter ab. Dadurch konzentrierten sich die Schadstoffe vertikal auf immer engerem Raum. Auch horizontal ging nichts mehr, da der Wind nur schwach war.

Dies begünstigte auch die Ozonbildung und die Bildung von NO2  Allerdings waren die Konzentrationen dieser Schadstoffe am Samstag am höchsten, weil die Sonneneinstrahlung und die Wärme am höchsten war. Am Sonntag machten sich bereits die Wolken der Front bemerkbar..Hohe Ozonwertes (siehe Bild oben) gab es am Sonntag nur noch weiter im Süden von Baden-Württemberg. Dabei spielte auch noch eine Rolle, dass der Verkehr und damit die Emissionen von NOx erfahrungsgemäß am Sonntag geringer sind als an Werktagen.

 

Wie sich dieser Wetterverlauf auf die Feinstaubkonzentrationen auswirkte zeigt die folgende Messreihe eines neuen Sensors der Schweizer Firma Sensirion, den ich an meinem Haus in Leonberg seit einiger Zeit zu Testzwecken betreibe. Er hat den Vorteil, dass er nicht nur PM10 und PM 2,5 misst, sondern auch PM 4 und PM 1:

Grafana Sensirion 2019 03 27 20.18.42

Man sieht schön, wie sich die Feinstaubkonzentrationen am Donnerstag allmählich aufbauten, am Sonntag vor der Front den Höhepunkt erreichte und nach Durchzug der Front wieder schnell absanken.