Die Stadt Leonberg hatte im Sommer dieses Jahres einen zweiten Entwurf des Lärmaktionsplans Stufe 2 vorgelegt, nachdem  der Gemeinderat mit dem ersten Entwurf nicht zufrieden war.. Der  überarbeiteter Entwurf  wurde nochmals neu öffentlich ausgelegt, so dass die Bürger die Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen. Am 22.9. lief dazu die Frist ab. Die AGVL hat dazu fristgerecht Stellung genommen.  Hier der Wortlaut des Hauptschreibens:

Stellungnahme:

Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrslärm Leonberg (AGVL) nimmt im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung hiermit fristgerecht Stellung.

Wir begrüßen, dass einige unserer Anregungen inzwischen in von der Stadt aufgenommen wurden. Dazu gehören insbesondere:

  • Die Herabsetzung der Auslösewerte auf 65 db(A) am Tag bzw. 55 db(A) in der Nacht auf Druck des Gemeinderats.
  • Der Beschluss einer Resolution zur politischen Durchsetzung von Verbesserungen des Lärmschutzes
  • Der Beschluss einer 2. Beteiligung im Rahmen des Verfahrens

Leider müssen wir jedoch feststellen, dass weiter unterschiedliche Vorstellungen zu den grundsätzliche Ansätzen und Ziele der Lärmaktionsplanung bestehen. Nach wie vor wird die Lärmaktionsplanung als reine Fachplanung gesehen, welche lediglich die gesetzlichen Minimalvorgaben umsetzt. Sie wird immer noch nicht als Chance gesehen, die Stadt durch ein zukunfts-gerichtetes Gesamtkonzept voran zu bringen. Die Stadt muss selbstverständlich die gesetzlichen Regelungen umsetzen, aber die Lärmschutzgesetzgebung stammt im Wesentlichen aus den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts und ist daher völlig veraltet. Gerade eine Stadt, welche von der äußerst dynamischen Entwicklung des Verkehrsbereichs massiv betroffen ist, muss weit darüber hinausdenken.

Die Stadt ist völlig frei, weitere Maßnahmen und Ideen zu entwickeln und zu versuchen, diese im politischen Raum und zusammen mit anderen Kommunen durchzusetzen. Die Resolution ist zwar ein guter Anfang, aber sie reicht nicht aus. Wenn es bei einer einmaligen Willensbekundung bleibt, wird sie wirkungslos verpuffen. Bisher ist nicht ersichtlich, wie die Forderungen der Resolution umgesetzt werden sollen. Wir verweisen daher nach wie vor auf unsere Vorschläge und Ideen aus der ersten Stellungnahme – auch wenn viele davon abgelehnt oder gar nicht beachtet worden sind.    

Wie wichtig dies ist, zeigt beispielhaft der derzeitige Umleitungsverkehr der Güterzüge wegen der Havarie auf der Rheintalbahn. Im Lärmaktionsplan wird auf die gesetzliche Zuständigkeit des Eisenbahnbundesamtes verwiesen und die von der Bahn AG vorgelegten Zugzahlen als Grundlage für die Planung verteidigt.

Wie blauäugig dies ist, zeigt diese Havarie schlaglichtartig auf. Denn sie zeigt, was künftig auf der Bahnstrecke durch Leonberg möglich ist. Statt der im Lärmaktionsplan angenommenen 34 Güterzügen pro Tag fahren bis zu 80 Züge. Statt der angenommenen nächtlichen 13 Zügen fahren bis zu 30 Züge. Dieser Verkehr geht sicherlich wieder zurück, wenn die Rheintalbahn wieder regulär befahrbar ist. Aber:

  • Die Rheintalbahn ist mit bis zu 200 Güterzügen pro Tag bereits im Normalbetrieb an der Grenze der Kapazität.
  • Der Ausbau der Rheintalbahn geht nur schleppend voran und wird sich durch die Havarie mit großer Wahrscheinlichkeit allen gegenteiligen Beteuerungen der Bahn AG zum Trotz weiter verzögern. Vor dem Jahre 2035/2040 ist nicht mit der Fertigstellung zu rechen.
  • Der aktuelle Bundesverkehrswegeplan geht von einer Steigerung des Güterverkehrs von 30% bis zum Jahre 2025 aus
  • Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist eine stärkere Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Damit muss man mit einer mehr als 30-prozentigen Steigerung auf der Nord-Süd- Verkehrsachse rechnen.
  • Die Gäubahn ist nach dem Luganer Vertrag offiziell Zulaufstrecke zum neuen Gotthardtunnel.
  • Die Gäubahn in Richtung Schweiz soll daher ausgebaut werden. Dies erhöht nicht nur die Kapazität für den Personenverkehr, sondern auch für den Güterverkehr. Eine der geplanten Maßnahmen ist z.B. die ‘Singener Kurve‘. Sie soll ermöglichen, den Bahnhof Singen ohne Fahrtrichtungswechsel (‚Kopf machen‘) zu umfahren. Da in Singen alle Personenzüge halten, profitiert davon de facto nur der Güterverkehr.

Nimmt man diese Fakten ernst, bedeutet dies, dass die aktuellen Zugzahlen während des Umleitungsverkehrs durchaus in absehbarer Zukunft im Normalbetrieb erreicht werden könnten.

Daher wäre es fahrlässig, die aktuellen Zahlen als Grundlage für eine Planung zu verwenden – auch wenn dies ‘gesetzlich‘ in Ordnung wäre.

Vor diesem Hintergrund fordern wir das Eisenbahnbundesamt und die Bahn AG auf, umgehend das Verfahren zur Lärmsanierung für die Strecke zwischen Kornwestheim und Renningen durchzuführen und dabei die Zugzahlen des derzeitigen Umleitungsverkehrs als Grundlage für die Berechnung der Dimensionierung des Lärmschutzes zu Grunde zu legen. Für den Streckenabschnitt zwischen Renningen und Böblingen fordern wir eine Überprüfung der Prognosezahlen des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau der Strecke im Zuge der Einführung der S 60. Als Grenzwerte sollten die Vorsorgewerte herangezogen werden – nicht die üblichen Sanierungsgrenzwerte.

Die Stadt Leonberg fordern wir auf, diese Forderungen gemeinsam mit den Anliegerkommunen und den betroffenen Bürgern durchzusetzen und dazu umgehend eine Task-Force aufzusetzen.

Eine ähnliche Vorgehensweise schlagen wir auch für das weitere Vorgehen bezüglich der Autobahnen und der B 295 vor. Wir verweisen insbesondere darauf, dass z.B. das Thema ‚Lückenschluss‘ derzeit auch zeitkritisch ist, weil das Planfeststellungsverfahren bereits läuft und in einer entscheidenden Phase ist. Nach unserem Wissensstand ist derzeit unklar, ob und in welcher Form sich die Stadt Leonberg daran beteiligt, insbesondere welche konkreten Maßnahmen die Stadt zum Lärmschutz in das Verfahren eingebracht hat. Die Bürger haben nach unserer Meinung ein Anrecht darauf, darüber informiert zu werden.

Wir haben zusammen mit den Renninger Bürgerinitiativen immerhin erreicht, dass das Regierungspräsidium nochmals eine Bürgerbeteiligung zugesagt hat, d.h. die Vorentwurfsphase ist entgegen der ursprünglichen Absicht noch nicht zu Ende.     

Wir haben die städtische Bewertung in der tabellarischen Behandlung der Stellungnahmen aus der 1. Öffentlichkeitsbeteiligung im Detail kommentiert. Dazu haben wir die Kommentierungsfunktion der pdf-Datei benutzt. Diese Kommentierungen sind Bestandteil unserer Stellungnahme. Die entsprechende pdf-Datei haben wir als Anlage beigefügt.

Anlage, weitere Infos:

Stellungnahme als pdf-Datei

Abwägungstabelle mit Kommentaren (ab Seite 112 ff)

Drucksache der Gemeinderatssitzung vom 27.6.2017 mit weiteren Unterlagen