Gotthard ZulaufDie Rheintalbahn ist derzeit zwischen Rastatt und Baden-Baden wegen einer erheblichen Gleisabsenkung im Zusammenhang mit dem Bau eines neuen Tunnels für unbestimmte Zeit unterbrochen. Dies ist nicht nur für den Personenverkehr sondern vor allem für den Schienengüterverkehr ein GAU. Denn die Oberrheinstrecke ist die wichtigste Nord-Südverbindung für den Güterverkehr in Deutschland. Bis zu 200 Güterzüge fahren täglich diese Strecke. Für diese muss nun Ersatz geschaffen werden. Die Gäubahn wäre normalerweise die mit Abstand beste Umleitungsstrecke in Richtung Schweiz (siehe Bild).

Aber ausgerechnet jetzt ist auch die Gäubahn aufgrund länger geplanter Bauarbeiten zwischen Böblingen und Horb komplett gesperrt. Für die Bahn AG ist dies doppelt peinlich. Sie hat nicht nur die Folgen des misslungenen Tunnelbaus zu tragen, sondern es ist nun offensichtlich, dass sie keinen Plan B hatte für den Fall, dass bei den riskanten Bauarbeiten am Rastatter Tunnel etwas passiert. Denn sonst hätte sie während der kritischen Phase der Unterquerung der Rheintalbahn durch die Tunnelbohrmaschine sicherlich keine Baustelle auf der Gäubahn eingerichtet.

Wie von uns erwartet  teilte nun die Bahn AG nach langem Zögern in einer Pressemitteilung vom 22.8.2017 mit, dass die Sperrung der Rheintalbahn länger dauern wird. Der neue Termin ist nun der 7.10.2017. Weiterhin teilte sie mit, dass die Baustelle der Gäubahn zwischen Böblingen und Herrenberg einige Tage früher als geplant bereits am 5.9. 2017 aufgehoben wird. Damit kann die Gäubahn ab diesem Termin als Umleitungsstrecke genutzt werden. Es ist nun klar, dass insbesondere die Bahnanlieger in Korntal, Ditzingen, Leonberg, Renningen, Magstadt, Sindelfingen und Böblingen über einen Monat sehr unruhige Tage und vor allem Nächte haben werden.

Wir haben selbstverständlich Verständnis für diese Notsituation der Bahn. Aber zweifellos wird dies zu einer enormen Zusatzbelastung für die Bahnanlieger führen. Möglicherweise sind auch Einschränkungen im Personennahverkehr, so wie bei der derzeitigen Umleitung über Tübingen – Horb, nicht ausgeschlossen. Darauf geht die Pressemitteilung zwar nicht ein, aber vor allem zwischen Korntal und Renningen hat die S-Bahn teilweise eine hohe Taktfrequenz und die Züge aus dem Daimler Werk Sindelfingen sowie die ‘normalen Güterzüge‘ in Richtung Singen / Schweiz müssen über diese Strecke auch abgewickelt werden.

Wir begrüßen, dass die Bahn AG Entschädigungen auf dem Kulanzweg für Abonnenten von Zeitkarten in Aussicht stellt, die von den Einschränkungen des Personenverkehrs am Oberrhein betroffen sind. Es wäre fair, wenn die Bahn AG sich auch für die Zusatzbelastungen der betroffenen Bahnanlieger der Umleitungsstrecken erkenntlich zeigen würde. Eine Möglichkeit wäre z.B. Bahn-Gutscheine auszugeben für Anlieger, die bereits heute Belastungen oberhalb der Lärmvorsorgewerte ausgesetzt sind. Die Daten der betroffenen Gebäude und der darin wohnenden Betroffenen liegen dem Eisenbahnbundesamt bzw. den Gemeinden aufgrund der EU-Lärmkartierung vor. Der bürokratische Aufwand wäre also überschaubar. Die Kosten für eine solche Aktion wären sehr gering im Vergleich zu dem Gesamtschaden der Havarie und gleichzeitig wäre dies für die Bahn AG eine gute Marketing-Aktion, um vielleicht neue Kunden zu gewinnen.

Diese Haverie zeigt auch schlaglichtartig auf, dass die Befürchtungen der Bahnanlieger, dass die Strecke über Leonberg als Ersatzstrecke für die Rheintalbahn dienen kann, wohl begründet sind. Bereits heute läuft der gesamte Güterverkehr der Gäubahn über diese ‘Westliche Güterzugumgehung Stuttgart‘ (WeGuS) [1]*). Diese Streckenfunktion bezieht sich aber nicht nur auf Notfälle, sondern auch auf den Fall, dass die Rheintalbahn im normalen Betrieb überlastet ist. Sie ist offensichtlich mit 200 Zügen pro Tag bereits 'am Anschlag'. Durch die im letzten Jahr erfolgte Eröffnung des Gotthardbasistunnels und die im aktuellen Bundesverkehrswegeplan prognostizierte erhebliche Zunahme des Güterverkehrs ist damit zu rechnen, dass der Nord-Süd-Verkehr noch weiter erheblich zunimmt. Nicht zuletzt deshalb ist auch der Ausbau der Gäubahn vorgesehen. Der Ausbau dient nicht nur dem Personenverkehr, sondern auch dem Güterverkehr. Der Ausbau der Rheintalbahn wird sich dagegen durch den die jetzige Havarie sicherlich weiter erheblich verzögern.

Wir begrüßen zwar grundsätzlich den Ausbau der Schiene als Alternative zur Straße, aber die Anlieger müssen effektiv vor Lärm geschützt werden. Dies bedeutet insbesondere, dass die Strecke von Korntal bis Böblingen endlich komplett mit Lärmschutz versehen werden muss, welcher auch die Zusatzfunktion als Ersatzstrecke für die Rheintalbahn und als Zulaufstrecke zum neuen Gotthardtunnel mit einbezieht. Da nach unseren Informationen bereits das Verfahren zur Lärmsanierung läuft, fordern wir die Anliegergemeinden nochmals dazu auf, sich so schnell wie möglich gemeinsam mit den Anliegern in diesem Sinne für einen möglichst effizienten Lärmschutz gegenüber der Bahn einzusetzen. Nun zählen Taten, nicht nur Worte!

 


[1] Die Westliche Güterzugumgehung Stuttgart (WeGuS) bezeichnet die Bahnstrecke Kornwestheim – Leonberg – Renningen – Böblingen. Diese Strecke hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten allmählich von einer reinen lokalen Bahnstrecke zu einer internationalen Güterzugstrecken in Baden-Württemberg entwickelt (Zielrichtung Schweiz / Österreich / Italien).

Zu diesem Thema gibt es auch eine inhaltlich gleiche Pressemitteilung_Havarie_update mit der Anlage ursprüngliche PM