Was hat Leonberg mit der Rastatter Haverie der Rheintalbahn im August 2017 zu tun? Das wird sich der eine oder die andere beim Lesen der Überschrift dieses Artikels fragen. Auf den ersten Blick scheint es tatsächlich keinen Zusammenhang zu geben. Aber spätestens seit sich am 12.8.2017 die Gleise der Rheintalbahn in Rastatt als Folge der Bauarbeiten für einen neuen Tunnel erheblich absenkten, sehen diesen Zusammenhang zumindest die Bahnanlieger an der Bahnstrecke von Korntal, Leonberg Renningen, nach Böblingen klar und und deutlich. Warum?
Der Bahnverkehr musste dort sofort unterbrochen werden. Nicht nur der Personenverkehr war betroffen, sondern auch der Güterverkehr. Es mussten Umleitungen für den Güterverkehr gefunden werden. Die Gäubahn ist dafür prädestiniert. Aber sie war zu dieser Zeit selbst auch wegen geplanter Bauarbeiten zwischen Böblingen und Herrenberg gesperrt. Für die Bahn war das natürlich Pech. Sie hatte wohl keinen Plan B für den Fall, das beim Tunnelbau etwas schief geht.. Für die Anwohner war es aber Glück - zunächst. Die Baustelle wurde früher als geplant schon am 6.9. geräumt und damit war der Weg für die Güterzüge frei.
Wir haben die Entwicklung selbstverständlich genauer beobachtet und nun eine Bilanz veröffentlicht. Sie geht auch vor allem darauf ein, welche Schlüsse wir für die Zukunft aus diesem Ereignis ziehen können (und müssen).
Die AGVL hat an 2 Messstellen mit unterschiedlichen Methoden den Güterverkehr in Leonberg gemessen. Bis zu 80 Güterzüge fuhren insgesamt täglich auf dieser Strecke, davon ca. 40, wahrscheinlich teilweise deutlich mehr, als Umleitungsverkehr in die Schweiz. In der vorliegenden Bilanz werden die Messergebnisse im Detail dargestellt und erläutert. Diese enorme Menge an Güterzügen zeigt auf, dass die Gäubahn erhebliche zusätzliche Kapazitäten für den Güterverkehr besitzt. Diese sollen durch den geplanten Ausbau weiter erhöht werden. Angesichts der Tatsache, dass die Rheintalbahn bereits an der Belastungsgrenze ist und sich deren Ausbau noch sehr lange hinziehen wird sowie der Güterverkehr lt. aktuellem Bundesverkehrswegeplan bis 2025 erheblich steigen soll, liegt es nahe, dass diese Kapazitäten künftig auch für den Normalbetrieb auf der Gäubahn benötigt werden Diese These wird in dieser Bilanz detailliert belegt.
Aktualisierung: Die Bahn AG hat den Zeitplan für den Ausbau der Rheintalbahn inzwischen veröffentlicht. Danach dauert der Ausbau bis 2041, d.h. es dauert länger als von uns bisher angenommen. (Quelle: Präsentation der Bahn AG).
Damit setzt sich wohl der Trend fort, dass sich speziell die Teilstrecke zwischen dem Güterbahnhof Kornwestheim, Leonberg, Renningen und Böblingen von der ursprünglichen Funktion einer rein lokalen Bahnstrecke zu einer leistungsfähigen internationalen Güterverkehrsstrecke als westliche Güterzugumgehung von Stuttgart (WeGuS) weiterentwickeln wird. Es sei auch erwähnt, dass die WeGuS im Zuge von Stuttgart 21 auch als Ersatzstrecke für den Personenverkehr bei Störungen im Fildertunnel vorgesehen ist.
Daraus leitet sich zwingend die Forderung ab, dass die Bürger vor den Folgen dieses zusätzlichen Verkehrs, insbesondere vor Lärm und Erschütterungen, so schnell wie möglich wirkungsvoll geschützt werden müssen, da es bisher zumindest auf der Teilstrecke Kornwestheim-Renningen keinerlei Schutz gibt. Die schleichende Nutzungsänderung zu Lasten der Gesundheit der Anlieger können wir nicht mehr länger hinnehmen, zumal weder die Bahn AG noch das Eisenbahnbundesamt eine Betriebsgenehmigung für diesen Verkehr vorweisen kann.
Die vorliegende Bilanz geht ausführlich darauf ein, warum und mit welchen Vorgaben dies geschehen soll. Wir fordern bei der Lärmsanierung insbesondere die Anwendung der Grenzwerte, welche bei Neubau oder einer wesentlichen Änderungen gelten (Vorsorgewerte).
Wir betonen ausdrücklich, dass wir nicht gegen die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene sind. Im Gegenteil: Die Wohngebiete im Raum Leonberg sind sowohl vom Straßenverkehr (A8 / A81 / B295) wie auch vom Schienenverkehr in gleicher Weise erheblich belastet. Zusätzlich zum Lärm bringt der Straßenverkehr noch eine hohe Schadstoffbelastung.
Die Anliegergemeinden und die politischen Mandatsträger, insbesondere die Stadt Leonberg als Mittelzentrum, fordern wir auf, wirkungsvoll und beständig diese Forderungen gemeinsam mit den betroffenen Bürgern zu unterstützen und durchzusetzen. Detaillierte Vorschläge haben wir in unseren Stellungnahmen zum Lärmaktionsplan der Stufe 2 gemacht. Wir streben eine politische Lösung an, so lange die Lärmgesetzgebung veraltet, unzureichend und widersprüchlich ist.